Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen; der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.

Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.

BGH BESCHLUSS I ZB 64/13 vom 22. Mai 2014 – ECR-Award

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1

Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.

BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZB 64/13 – Bundespatentgericht
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 8. Juli 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintra-gung der Wortmarke
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für die folgenden Dienstleistungen der Klasse 41 beantragt:
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Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Manage-mentleistungen, insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumen-ten.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmel-dung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das Bundes-patentgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen (BPatG, Beschluss vom 8. Juli 2013 – 27 W (pat) 521/13, juris). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Die Buchstabenfolge „ECR“ könne vielfältige Bedeutungen haben. Welche konkrete Bedeutung sie tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr, der aus Fachleuten für Managementdienstleistungen bestehe, „ECR“ als Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Zwar werde das angesprochene Publikum aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkür-zung „ECR“ nicht zwingend als Thema die optimierte Lagerlogistik erkennen. Es werde den Begriff jedenfalls nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen thematisch bestimmten Preis auffassen. Dieser Begriff werde von der Anmelderin selbst im Dienstleistungsverzeichnis als eine beschreiben-de Angabe verwendet. Hiervon ausgehend könne der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden. Es bestehe hin-sichtlich aller angemeldeten Dienstleistungen zudem ein Freihaltebedürfnis.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet die volle rechtliche Nachprüfung des angefochte-
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nen Beschlusses, ohne dass das Rechtsbeschwerdegericht auf die Entschei-dung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 1995 I ZB 27/93, BGHZ 130, 187, 191 Füll-körper; Beschluss vom 16. Juli 2009 I ZB 53/07, BGHZ 182, 325 Rn. 14 Legostein).
2. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, dass hinsichtlich der ange-meldeten Wortmarke „ECR-Award“ das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist der Eintragungsantrag zurückzu-weisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienst-leistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-mittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleis-tungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 C398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8 = WRP 2012, 337 Link economy; Beschluss vom 4. April 2012 I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rn. 7 = WRP 2012, 1396 Starsat; Beschluss vom 22. November 2012 I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rn. 11 = WRP 2013, 909 Kaleido). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienst-leistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungs-kraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzule-gen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 Willkommen im Le-ben; Beschluss vom 24. Juni 2010 I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 =
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WRP 2010, 1504 TOOOR!; Beschluss vom 19. Februar 2014 – I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rn. 10 = WRP 2014, 573 – HOT).
Maßgeblich für die Unterscheidungskraft einer Marke ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und ver-ständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistun-gen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008 C304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rn. 67 EUROHYPO; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 = WRP 2009, 439 STREETBALL; BGH, GRUR 2013, 731 Rn. 11 Kaleido; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT). Die-ser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270 Rn. 12 Link economy).
Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes (vgl. BGH, GRUR 2002, 884, 885 B-2 alloy). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob Eintragungshindernisse hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraus-setzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unter-scheidungskräftig sein können (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 10 = WRP 2011, 65 Buchstabe T mit Strich).
Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es aus, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Der allein durch die Existenz verschiedener Deu-tungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reicht
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für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2009 – I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rn. 15 = WRP 2009, 960 DeutschlandCard; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT; Ingerl/Rohnke, Mar-kenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 131 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 113).
b) Das Bundespatentgericht hat das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bejaht, weil es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine beschreibende Angabe handele. Die Abkürzung „ECR“ stehe nicht nur für „Efficient Consumer Respon-se“, sondern unter anderem auch für die Begriffe „Earth Centered Rotation“, „El Charco“, „Electro Coat Replacement“, „Electronic Cash Register“, „Electronic Combat Reconnaissance“, „Engineer Change Request“, „Extended Control Re-gister“ oder „Elektrische Straßenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid“. Wel-che konkrete Bedeutung der Begriff „ECR“ tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche An-meldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise die angemeldete Marke in dem von dem Deutschen Patent- und Markenamt angenommenen Sinn deuten und in der da-rin enthaltenen Abkürzung „ECR“ einen Hinweis auf die prämierte Leistung se-hen. Das angesprochene Publikum werde aufgrund der Vielzahl der Bedeutun-gen der Abkürzung „ECR“ nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als The-ma erkennen; es werde jedoch den Begriff nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen „thematisch bestimmten“ Preis auffassen.
c) Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass der angesprochene inländische Verkehr „ECR-Award“ ohne weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für „Efficient-Consumer-Response-Award“ erkennt. Vielmehr ist der Verkehr nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts ohne Berücksichtigung der im
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Verzeichnis angegebenen Dienstleistungen nicht in der Lage, „ECR“ als Abkür-zung für „Efficient Consumer Response“ zu begreifen. Zu dem gegenteiligen Ergebnis ist das Bundespatentgericht nur dadurch gelangt, dass es rechtsfeh-lerhaft zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses den Inhalt des Dienstleis-tungsverzeichnisses herangezogen hat. Die Rechtsbeschwerde weist zutref-fend darauf hin, dass das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen dem die Marke wahrnehmenden Verkehr nicht bekannt ist. Nur dessen Verständnis an-hand der Marke selbst und der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen ist maßgebend für die Frage, ob eine Marke als beschreibende Angabe oder Ab-kürzung verstanden werden kann (EuGH, Urteil vom 15. März 2012 C90/11 und C91/11, GRUR 2012, 616 Rn. 37 f. – MMF/NAI). Ohne Kenntnis des In-halts des Dienstleistungsverzeichnisses kann der Verkehr der angemeldeten Marke nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts keine bestimmte, ohne weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.
Dies gilt selbst dann, wenn das Zeichen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung im Bereich „Efficient Consumer Response“ benutzt wird, weil sich auch in diesem Fall kein die Dienstleistungen glatt beschreibender Begriff ergibt. Wie aus den Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts folgt, auf die das Bundespatentgericht verwiesen hat, ist dieser Begriff nicht ein-fach durch Übersetzung der englischen Wörter zu ermitteln. Das Deutsche Pa-tentund Markenamt hat vielmehr angenommen, die Wortfolge bezeichne eine Initiative zur Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern, die auf Kos-tenreduktion und bessere Befriedigung von Konsumentenbedürfnissen abzielt. Dagegen ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, „Efficient Consumer Response“ beschreibe ein Konzept zur optimierten Lagerlogistik, ohne dass deutlich wird, wie das Bundespatentgericht zu diesem Verkehrsverständnis ge-langt ist.
3. Da nach den bisherigen Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der angemeldeten Wort-
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marke „ECR-Award“ um eine beschreibende Angabe handelt, kann die ange-fochtene Entscheidung auch nicht mit der nicht näher begründeten Auffassung des Bundespatentgerichts aufrechterhalten werden, dass hinsichtlich der an-gemeldeten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.
IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zu-rückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Büscher Schaffert Koch
Löffler Schwonke
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.07.2013 – 27 W(pat) 521/13 –

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